Stasi in Grünheide: Tschekistisches Naherholungsgebiet, eine Landschaft der Beobachtung

Auf einer Diskussionsveranstaltung zur Stasi in Grünheide (Mark) sprach sich die bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Sabine Niels für eine bessere Aufarbeitung der DDR-Geschichte insbesondere in Grünheide aus. Auf Einladung des  evangelischen Kirchenkreises Grünheide sprach am Freitagabend der Wissenschaftler der „Jahn“-Behörde”, Dr. Helmut Müller-Enbergs vor 120 Zuhörern über die Staatssicherheit in Grünheide.

Grünheide hatte vergleichsweise den höchsten Anteil an inoffiziellen Mitarbeitern (IM) pro Einwohner, erklärte Müller- Enbergs nach Sichtung der Stasi-Akten. So arbeiteten für die MfS-Kreisdienststelle in Fürstenwalde 53 Hauptamtliche Mitarbeiter der Staatssicherheit. Sie führte bis zu 555 IM. Allein 31 Bürger aus Grünheide arbeiteten als IM. Gemessen an der „zu überwachenden Bevölkerung“ sei diese Zahl „deutlich überdimensioniert“ sagte Müller-Enbergs. Der Historiker vermutet, dass die Beliebtheit des Ortes als “tschekistischer Naherholungsort” und der beachtlichen Anzahl an DDR-Prominenten eine mögliche Erklärung” sei. „Die Staatssicherheit traute bald niemandem mehr.”

Der Pfarrer des evangelischen Kirchenkreises Grünheide Stefan Madloch begrüßte es, dass nach 20 Jahren endlich auch mit der Aufarbeitung der jüngeren Geschichte des Ortes begonnen wird. Erst im letzten Monat fand ein Antrag des Bürgerbündnisses grün-gelb zur Stasi-Überprüfung eine Mehrheit in der Grünheider Gemeindevertretung.  Die Bündnis90/Grünenpolitikerin Niels hofft, dass die Veranstaltung als Auftakt und Impuls zur weiteren Aufarbeitung aufgegriffen wird. Als stellvertretendes Mitglied der Enquete-Kommission des Landtages zur „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung der Folgen der SED-Diktatur“ rief Sabine Niels die Bürger auf, sich mit Fragestellungen und Wünschen an die Kommission zu wenden.

Bei der Aufarbeitung dürfe man nicht alle IM über „einen Kamm scheren“, gab Müller- Enbergs zu Bedenken. Es gab verschiedene Arten von IM, daher müsse man mit „Augenmaß“ agieren, so der Mitarbeiter der Stasi-Unterlagen-Behörde. Derzeit habe die „Jahn“- Behörde gut 67 Prozent der verfügbaren Akten erschlossen. Während der Herbstrevolution 1989 wurden regelmäßig die Akten der „großen“ Fische vernichtet, mit der Folge, dass man heute meist nur über die „kleinen Fische“ diskutiert. Müller-Enbergs sprach sich für dafür aus, die vom MfS geschredderten Akten wieder zusammen zu setzen, damit diese Gerechtigkeitslücke geschlossen wird. Es sei dem in der Gesellschaft vorhandenen Eindruck entgegenzuwirken, wo man meint: „Die Kleinen werden gehängt, die  Großen lässt man laufen.”

Zudem merkte Müller-Enbergs an: “Setzen Sie sich mit ihrer Geschichte und der der Gemeinde auseinander, lesen Sie die Stasi-Unterlagen und bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil. Sie können die Akten mit Anmerkungen versehen und hinterlassen damit ihren Kindern und Enkeln ein Stück Geschichte. Überlassen Sie nicht der Stasi die Deutungshoheit über Ihr Leben, ihre Biografie”.